5.1.2016
Oldschool - Jugend ohne GottWie Titel täuschenMit Jugend ohne Gott setze ich mein Oldschool-Projekt weiter fort. Es ist das perfekte Beispiel dafür, dass man ein Buch, nie nur nach dem Titel beurteilen sollte. Hinter dem sehr religiös scheinenden Titel verbirgt sich nämlich eine Geschichte mit einem ganz anderen Thema.
Neu: Oldschool-Artikel und Buchempfehlungen können nun in einer Übersicht im Bereich Rezensionen aufgelistet werden. Die Liste kann über zwei neue Reiter erreicht werden.
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Autor Ödon von Horvath war gezwungen aus seinem Heimatland zu fliehen.
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„Auf dem Index“
Das Buch erschien im Jahre 1937 und ist damit das älteste Buch, das bisher in meine Oldschool-Liste aufgenommen wurde. Es wurde vom österreichisch-ungarischen Autor Ödön von Horvath geschrieben und 1938 in viele andere Sprachen übersetzt. Schon im gleichen Jahr landete es aber sozusagen „auf dem Index“. Aufgrund des Themas wurde es damals von der Gestapo gesperrt. Der Autor Horvath war kurz darauf gezwungen zu fliehen und schrieb keinen weiteren Roman mehr. Vor Jugend ohne Gott veröffentlichte er aber zwei Bücher. 1929 schrieb er Sechsunddreißig Stunden und 1930 Der ewige Spießer. Wie schon erwähnt beschäftigt sich Jugend ohne Gott mit einem damals sehr heiklen Thema: Dem Dritten Reich und der NS-Propaganda. In gewisser Weise aber auch mit Religion, aber eben nur in gewisser Weise. Dazu komme ich aber noch später. Inhaltlich geht es um einen Lehrer, der eine Klasse zur NS-Zeit unterrichtet. Bei einem Schulausflug kommt es dann aber zu einem Mord, eines Schülers. Die zweite Hälfte des circa 140 Seiten langen Buches, beschäftigt sich dann mit dem Prozess und der Aufklärung des Mordfalls, in den auch der Lehrer verwickelt ist. Schließlich spielt Gott eine entscheidende Rolle und im letzten Drittel wird das Buch fast zum Krimi-Roman, da der Lehrer versucht den Fall aufzudecken und den wahren Mörder zu stellen. |
Das getarnte Hauptthema
Warum das Buch gesperrt wurde ist vielleicht nicht für jeden sofort klar, deshalb möchte ich hier kurz die Gründe dafür erläutern. Es gibt immer wieder Andeutungen auf das NS-Regime, die teilweise harte Kritik enthalten. In Zeiten von sowieso schon strenger Zensur war das natürlich ein großes Problem. So werden die Schüler im Buch zum Beispiel nur mit den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen beschrieben. Nie erfährt man den vollen Namen eines der Kinder. Das soll eigentlich eine harsche Kritik an die damalige „Nummerierung“ der Bürger, die fehlende persönliche Individualität und die Gleichgültigkeit der Bevölkerung für die Regierung sein.
Als zweites gibt es den Lehrer, der eigentlich gegen das Regime ist, aber gleichzeitig dazu gezwungen ist, das nicht vor seinen Schülern zum Ausdruck zu bringen. Das fällt ihm manchmal gar nicht so leicht und der verliert dadurch beinahe seine Arbeit. Er würde seinen Schülern gern das, für ihn Richtige beibringen. Durch die ständige Propaganda, vor allem das Radio wird immer wieder angesprochen, ist das aber kaum möglich, da den Schülern der Unterschied sofort auffallen würde. So steht der Lehrer als Symbol für alle, die gezwungen waren mit dem Strom des Nationalsozialismus zu schwimmen.
Das dritte Beispiel ist das wohl interessanteste. Im Buch kommt immer wieder der Begriff „Fische“ und „Das Zeitalter der Fische“ vor. So wurde die Zeit des Nationalsozialismus nämlich auch genannt, da eben alle „mit dem Strom schwimmen“ und ohne eigenständiges Denken, propagandistische Formulierungen aus dem Radio übernehmen und fest daran glauben. Die meisten erleben die Geschehnisse um sie herum emotionslos und kalt und nur wenige machen sich Gedanken über die gesellschaftliche Situation.
Warum das Buch gesperrt wurde ist vielleicht nicht für jeden sofort klar, deshalb möchte ich hier kurz die Gründe dafür erläutern. Es gibt immer wieder Andeutungen auf das NS-Regime, die teilweise harte Kritik enthalten. In Zeiten von sowieso schon strenger Zensur war das natürlich ein großes Problem. So werden die Schüler im Buch zum Beispiel nur mit den Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen beschrieben. Nie erfährt man den vollen Namen eines der Kinder. Das soll eigentlich eine harsche Kritik an die damalige „Nummerierung“ der Bürger, die fehlende persönliche Individualität und die Gleichgültigkeit der Bevölkerung für die Regierung sein.
Als zweites gibt es den Lehrer, der eigentlich gegen das Regime ist, aber gleichzeitig dazu gezwungen ist, das nicht vor seinen Schülern zum Ausdruck zu bringen. Das fällt ihm manchmal gar nicht so leicht und der verliert dadurch beinahe seine Arbeit. Er würde seinen Schülern gern das, für ihn Richtige beibringen. Durch die ständige Propaganda, vor allem das Radio wird immer wieder angesprochen, ist das aber kaum möglich, da den Schülern der Unterschied sofort auffallen würde. So steht der Lehrer als Symbol für alle, die gezwungen waren mit dem Strom des Nationalsozialismus zu schwimmen.
Das dritte Beispiel ist das wohl interessanteste. Im Buch kommt immer wieder der Begriff „Fische“ und „Das Zeitalter der Fische“ vor. So wurde die Zeit des Nationalsozialismus nämlich auch genannt, da eben alle „mit dem Strom schwimmen“ und ohne eigenständiges Denken, propagandistische Formulierungen aus dem Radio übernehmen und fest daran glauben. Die meisten erleben die Geschehnisse um sie herum emotionslos und kalt und nur wenige machen sich Gedanken über die gesellschaftliche Situation.
Aber welche Rolle spielt Gott?
Auch der Titel ist wohl in erster Linie eher nur zur Tarnung gedacht. Als Alternativtitel war zum Beispiel noch Ein Lehrer in heutiger Zeit vorgesehen, was schon ein wenig auffälliger gewesen wäre. So vermutet man beim Titel wahrscheinlich ein sehr religiöses Buch und fühlt sich als Leser dadurch vielleicht auch ein wenig abgeschreckt. Das muss man aber auf keinen Fall, das Thema Gott ist zwar ein Kernelement des Buches und spielt beim Wendepunkt eine äußerst wichtige Rolle, ergreift aber nie die Überhand. So geht es vor allem um die Frage „Was ist Gott?“ und „Gibt es Gott wirklich?“. Dabei gibt es durchaus einige interessante Vergleiche und man muss kein strenger religiöser Anhänger sein, um die Zusammenhänge inhaltlich zu verstehen.
Thematisch und inhaltlich ist Jugend ohne Gott also auf jeden Fall noch lesbar und ist sehr gut gealtert. Der Leser kann sich gut in die damalige Zeit hineinversetzen und so entstehen nur wenige unlogische Situationen. Wichtig ist, dass man sich nur nicht vom Titel abschrecken lässt, das Buch befasst sich im Kern nämlich mit äußerst interessanten Themen. Außerdem lässt es einen etwas anderen Blick in die Zeit des Nationalsozialismus und der Zensur zu.
Sprachlich ist die Originalfassungdafür aber nahezu ein Monster. Diese würde ich nur wirklichen Fans der Literaturepoche oder Sprachprofis empfehlen. Zum Lesen habe ich übrigens die überarbeitete Version von 1988 verwendet, die sprachlich deutlich angenehmer und verständlicher ist. Hier wurden die kompliziertesten Passagen vereinfacht und an einen aktuelleren Sprachstil angepasst. Die veränderten Abschnitte sind im Buch markiert und in einem Extra-Bereich im hinteren Teil des erklärt und oftmals aus dem Original aufgeschlüsselt. Der deutlich veraltete Stil verlangt vom Leser vor allem eines: Eingewöhnung. Wenn man diese Zeit aufbringen kann, kann Jugend ohne Gott aber ein interessantes, historisches Werk sein, das ich vor allem an Leute empfehlen kann, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in irgendeiner Weise beschäftigen.
Auch der Titel ist wohl in erster Linie eher nur zur Tarnung gedacht. Als Alternativtitel war zum Beispiel noch Ein Lehrer in heutiger Zeit vorgesehen, was schon ein wenig auffälliger gewesen wäre. So vermutet man beim Titel wahrscheinlich ein sehr religiöses Buch und fühlt sich als Leser dadurch vielleicht auch ein wenig abgeschreckt. Das muss man aber auf keinen Fall, das Thema Gott ist zwar ein Kernelement des Buches und spielt beim Wendepunkt eine äußerst wichtige Rolle, ergreift aber nie die Überhand. So geht es vor allem um die Frage „Was ist Gott?“ und „Gibt es Gott wirklich?“. Dabei gibt es durchaus einige interessante Vergleiche und man muss kein strenger religiöser Anhänger sein, um die Zusammenhänge inhaltlich zu verstehen.
Thematisch und inhaltlich ist Jugend ohne Gott also auf jeden Fall noch lesbar und ist sehr gut gealtert. Der Leser kann sich gut in die damalige Zeit hineinversetzen und so entstehen nur wenige unlogische Situationen. Wichtig ist, dass man sich nur nicht vom Titel abschrecken lässt, das Buch befasst sich im Kern nämlich mit äußerst interessanten Themen. Außerdem lässt es einen etwas anderen Blick in die Zeit des Nationalsozialismus und der Zensur zu.
Sprachlich ist die Originalfassungdafür aber nahezu ein Monster. Diese würde ich nur wirklichen Fans der Literaturepoche oder Sprachprofis empfehlen. Zum Lesen habe ich übrigens die überarbeitete Version von 1988 verwendet, die sprachlich deutlich angenehmer und verständlicher ist. Hier wurden die kompliziertesten Passagen vereinfacht und an einen aktuelleren Sprachstil angepasst. Die veränderten Abschnitte sind im Buch markiert und in einem Extra-Bereich im hinteren Teil des erklärt und oftmals aus dem Original aufgeschlüsselt. Der deutlich veraltete Stil verlangt vom Leser vor allem eines: Eingewöhnung. Wenn man diese Zeit aufbringen kann, kann Jugend ohne Gott aber ein interessantes, historisches Werk sein, das ich vor allem an Leute empfehlen kann, die sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in irgendeiner Weise beschäftigen.