22.7.2016
Rezension - Kalypto: Die Herren der WälderDeutsche Fantasy mit HochkonjunkturIn der Rezension kläre ich warum Kalypto: Die Herren der Wälder das Beste seit langem ist, was deutsche Fantasy zu bieten hat. Außerdem stelle ich klar, was die folgenden Bücher brauchen, um die Reihe qualitätsmäßig um einen weiteren Status zu erhöhen.
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Tom Jacuba ist auch dieses Jahr wieder für den Deutschen Phantastik-Preis nominiert.
Die Welt von Kalypto ist ein Highlight des Buches.
Garona ist ein europäisch angehauchtes Bergvolk.
Die Insulaner sind am ehesten mit einer frühen afrikanischen Hochkultur zu vergleichen.
Die Waldmenschen in Kalypto sind nicht mit den Elfen aus dem klassischen Fantasy-Szenario gleichzusetzen.
Wie in Der Verlorene Thron, gibt es auch in Kalypto mehrere Erzählperspektiven.
Die Baldoren haben im Buch komischerweise einen schwäbischen Dialekt.
Das Thema "Krieg" wird auf eine indirekte Art und Weise behandelt und nicht explizit in Schlachten gezeigt.
Mit 550 Seiten ist Kalypto: Die Herren der Wälder ein ordentlicher Fantasy-Wälzer.
Das Design des Buches sticht besonders positiv heraus.
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Der Autor
Zuerst zum Autor: Dieser nennt sich Tom Jacuba, heißt mit bürgerlichem Namen aber Thomas Ziebula. Er ist Deutscher und wurde 1954 geboren. Vorerst arbeitet er als Diakon und generell vor allem im religiösen Bereich. Seine ersten Bücher handeln auch von geistlichen Themen. Seine ersten Kurzgeschichten und Groschenromane schrieb er unter dem Namen Jo Zybell. Um 2000 beginnt er Fantasy und Science Fiction Romane zu verfassen und bekommt 2001 sogar den Deutschen Phantasikpreis verliehen. Für diesen ist er in diesem Jahr übrigens wieder nominiert. 2015 veröffentlichte er in Kooperation mit dem Verlag Bastei Lübbe seinen ersten dickeren Fantasy-Schinken, aus dem er schließlich die Buchreihe Kalypto macht. Mittlerweile gibt es neben Kalypto: Die Herren der Wälder, schon den zweiten Teil, welcher in diesem Jahr erschien. Der dritte ist für August 2016 geplant. Die Reihe scheint also sehr gut bei den Lesern anzukommen. Wieso? Das möchte ich in dieser Rezension klären. Die Welt von Kalypto
Worum geht es in Kalypto: Die Herren der Wälder aber überhaupt? Um diese Frage zu klären, muss man auch gleichzeitig die Welt von Kalypto näher erklären. Im Detail könnt ihr euch das in meinem letzten Leseblog-Eintrag zum Buch ansehen. Grundsätzlich geht es um das namensgebende „Kalypto“. Das ist ein altes Reich, in dem mächtige Magier lebten. Vor tausenden von Jahren wurde dieses Reich aber durch Naturkatastrophen zerstört. Ein Teil der Magier konnte sich noch rechtzeitig in einen großen ausgehölten Felsen retten. Diesen verschlossen sie magisch und sanken daraufhin in einen langen Schlaf, den sie das „Erste Morgenlicht“ nennen. Schließlich erwachen vier auserwählte Magier am Anfang des Buches. Ihre Aufgabe ist es, die entstandene Welt für die restlichen Magier vorzubereiten. Dazu wählt jeder der vier ein Volk, das in der Welt lebt und bereitet es auf einen Krieg vor. In diesem soll entschieden werden, welches Volk würdig ist, das zweite Reich von Kalypto aufzubauen. Klingt einfach, dazu gibt es aber komplexe Regeln, an die sich jeder Magier halten muss. Die vier Völker sind „Die Herren der Wälder“, „Die Insulaner“, „Die Eiswilden“ und „Die Garonesen“. Da kommen wir auch schon zu einem der positivsten Punkte, die Kalypto: Die Herren der Wälder zu bieten hat: Die Welt, die der Autor dem Leser im Laufe des Buches näherbringt, wirkt sehr glaubwürdig. Jedes Volk hat seine eigene Kultur, Lebensweise und Sprache. Dabei fehlt es keineswegs an Abwechslung. Während die „Garonesen“ zum Beispiel als Königreich mit strikten Gesetzen und hohem Wissen dargestellt wird, sind die „Herren der Wälder“ oder „Waldmenschen“ einfache Leute, die versuchen im Wald zu überleben und sich dort ausschließlich selbst ernähren. Sie haben aber auch ein eigenes System: Der Wald wird in mehrere Gebiete eingeteilt. Über jedes herrscht ein vom Volk gewählter „Eichgraf“. Ebenfalls gewählt wird der „Waldfürst“, der alle Gebiete überwacht und sozusagen das höchste Amt im Staat besitzt. Sprachlich gibt es ebenfalls Unterschiede zwischen den Völkern. Die „Waldmenschen“ drücken mit der Bezeichnung „ins Vorjahreslaub fallen“ beispielsweise „sterben“ aus. Der Autor hat also eine klare Vision von seiner Welt und schafft es diese dem Leser nach und nach zu erklären. Das macht es auch gleichzeitig zum stärksten Aspekt, den das Buch zu bieten hat. Die Welt wirkt in keinster Weise steril, im Gegenteil sie pulsiert förmlich vor Leben. Man fühlt die Masse an Menschen, die in dieser Welt leben zu jeder Zeit. Wenn man sich außerdem die Karte ansieht, die dem Buch beiliegt und übrigens sehr schön gestaltet ist, kann man erkennen, dass die wichtigsten Gebiete erklärt wurden. Der Leser kennt die ausschlaggebendsten Aspekte, um die Welt zu verstehen, trotzdem gibt es aber noch genug, über das man noch gar nichts oder fast nichts weiß. Es gibt also noch so einiges zu erforschen und damit auch noch viel Stoff für die kommenden Teile der Reihe. Den Job als ersten Teil einer Reihe erfüllt Kalypto: Die Herren der Wälder somit sehr gut. Um abschließend noch das genaue Genre zu klären: Wir haben es hier eindeutig mit einem Low-Fantasy Szenario zu tun. Das bedeutet, die Welt ist europäisch angehaucht, es gibt auch menschenartige Figuren und keine arg überzeichneten Kreaturen. Außerdem gibt es kein klassisches „Elfen-Zwerg-Mensch“ Szenario, wie es für das High-Fantasy Genre üblich ist. „Die Waldmenschen“ sollte man übrigens ebenfalls nicht als „Elfen“ abstempeln, nur weil sie im Wald leben. Sie haben weder eine Hochkultur, noch weit fortgeschrittene Forschung. Sie wissen außerdem auch nicht viel mehr als die anderen Völker der Welt. Im Gegenteil: Sie leben eher abgeschieden auf ihre eigene Weise und mit ihrem eigenen politischen System (siehe oben). Neben Markus Heitz´ Die Zwerge, welches eindeutig ins High-Fantasy Genre einzuordnen ist, könnte sich nun mit Kalypto auch eine Low-Fantasy Reihe im Deutschen Raum etablieren. Die Erzählweise
Erzählt wird, wie in fast allen aktuellen Fantasy-Romanen, aus mehreren Perspektiven. Sprich: Es gibt mehrere Hauptcharaktere: Lasnic als Waldmensch, Ayrin als Garonesin und Catolis als Magierin bei den Insulanern. Die Eiswilden als viertes Volk spielen vorerst keine Rolle. Diese Erzählweise meistert Kalypto: Die Herren der Wälder nur bedingt. Positiv herausheben kann man, dass jeder Erzählstrang gleich viel Aufmerksamkeit bekommt und dass jeder ungefähr gleich spannend erscheint. Die Balance zwischen den einzelnen Perspektiven stimmt also. Es gibt vorerst auch kein klares „Gut-Böse Szenario“, was die Geschichte und auch die einzelnen Charaktere in diesem Fall ein wenig interessanter macht. Es gibt im Bereich „Erzählweise“ aber auch einige negative Sachen die herauszuheben sind. Zum einen enden Kapitel manchmal sehr spannend und man will unbedingt wissen wie es weitergeht. Im nächsten Kapitel wird dann die Perspektive zu einem anderen Charakter gewechselt, was ja auch noch O.K. geht. Wenn die Perspektive aber dann wieder zu der besonders spannenden Situation schwenkt, ist jene schon längst aufgelöst und wird häppchenweise nacherzählt. Das raubt vielen Momenten die Spannung und ist einfach schlecht vom Autor durchdacht worden. Generell gibt es vor allem im ersten Drittel des Buches viele sehr große Zeitsprünge, die den Leser eher verwirren, als die Spannung zu erhöhen. Ein weiteres Problem der Geschichte ist, dass sie oft in entscheidenden Situationen einfach auf plumpe Zufälle setzt. Das wirkt auf den Leser dann eher enttäuschend, wenn man verfolgt wie manche Handlungsstränge aufgebaut wurden und dann miterlebt, wie sie durch einen Zufall aufgelöst werden. Der schlau konstruierte Plot-Twist fehlt hier ein wenig. “Unlogik“ spielt leider auch hin und wieder mal eine größere Rolle. Mit gutem Charakter
Bei den Charakteren gibt es da schon ein bisschen mehr von der positiven Seite. Dabei gibt es sehr viele im Buch. Am Anfang wirkt man da schon ein wenig erschlagen, da die einzelnen Figuren zu kurz und ungenau vorgestellt werden. Das trägt zwar zur Dynamik der Geschichte bei, der Leser muss aber auf jede Handlung der Charaktere achten, um sich ein Bild von ihnen machen zu können. Das dauert zwar eine Weile, ist aber essentiell um die Geschichte vollends zu verstehen. Wenn man Kalypto auf diese Weise liest, entfaltet sich einem die ganze Charaktergestaltung. Diese ist nämlich wirklich großartig gelungen. Man bekommt mit, wie sich die einzelnen Figuren weiterentwickeln und fiebert mit ihnen mit. Man kann auch die Entscheidungen der Hauptcharaktere immer nachvollziehen, da sie zu deren Eigenschaften passen. Lediglich das Aussehen genauer zu beschreiben wurde versäumt. So bekommt der Leser bei vielen Charakteren nicht einmal eine kleine Gedächtnisstütze und muss sich alles selbst einbilden. Manchmal werden Details zwar erwähnt, man muss aber auch hier immer aufmerksam bleiben, um alles aufschnappen zu können. Wenn man Kalypto: Die Herren der Wälder also derart angestrengt liest bzw. lesen will, wird man eine tolle Charakterzeichnung und Weiterentwicklung mitbekommen. Ansonsten bleibt davon leider nicht viel übrig. Es kommt also darauf an: Je wichtiger einem die Charaktere sind, die immerhin einen großen Teil des Reizes von Kalypto ausmachen, desto besser sollte man auf Details achten, sich vielleicht sogar Notizen machen. Eine bessere Beschreibung möglicher neuer Charaktere oder eine Zusammenfassung im Register in den kommenden Teilen der Reihe wäre trotzdem nett. Die Verwirrung setzt sich fort…
Ich habe es schon öfter erwähnt: Kalypto: Die Herren der Wälder liest sich nur sehr anstrengend wenn man alles mitbekommen will. Man fühlt sich als Leser manchmal sogar ein wenig orientierungslos. Der Hauptgrund dafür ist der Stil und vor allem die Wortwahl des Autors. Er trifft nicht immer die einfachste Wortwahl und verkompliziert Situationen so nur. Beispielsweise gibt es im Buch ein Kapitel, das in einem Gefängnis spielt. Hier erklärt der Autor nicht gleich den ganzen Gefängnistrakt, sondern wirft immer wieder Details ein. So kann sich der Leser die Szenerie nur schwer vorstellen und muss seine Vorstellung andauernd ändern. Die Wortwahl hätte hier gerne etwas präziser und weniger ausschweifend sein können. Die Sprache die der Autor verwendet ist sehr interessant. Grundsätzlich ist sie zwar eher einfach und es kommen auch öfters typische deutsche Begriffe vor („Schlegel“ für „Stock“, „klauben“). Man merkt ihr eben auch an, dass sie keinen Übersetzungsprozess durchgehen musste, was bei Der Verlorene Thron beispielsweise noch ein Problem war. Das Besondere ist aber, dass sich die Sprache auch von Volk zu Volk ändert. Während die Garonesen eher in gehobener Sprache palavern, verwenden die Waldmenschen größtenteils einfache Begriffe und auch zum Teil eigene Ausdrücke. Die Baldoren (nicht auserwähltes Volk im Nordosten) reden komischerweise in einem schwäbischen Dialekt, an den man sich beim Lesen auch erst einmal gewöhnen muss. Diese sprachlichen Unterschiede innerhalb des Buches sind dem Autor wirklich gut gelungen und wirken sehr lebendig. Sie tragen zur Glaubwürdigkeit der Welt bei und bringen nebenbei auch noch Abwechslung für den Leser. Besonders interessant wird es dann, wenn Leute aus verschiedenen Regionen zusammenkommen und jeder seine eigene Art zu sprechen verwendet. Aber auch das meistert der Autor wirklich gut. All diese Aspekte tragen natürlich zum Schwierigkeitsgrad des Buches bei. Dieser ist, dadurch dass man wirklich auf viele Details achten muss, schon sehr hoch. Für einen Fantasy-Wälzer geht das aber noch O.K. Wenn Sie allerdings ein Buch für die Bahn suchen, sind sie mit Kalypto: Die Herren der Wälder definitiv falsch beraten. Das Buch sollte man am besten in Ruhe lesen. Zusammen mit dem erhöhten Gewaltgrad würde ich es ab 14 Jahren empfehlen. Das Thema „Krieg“, den es zwischen den Völkern im Buch gibt spricht Kalypto: Die Herren der Wälder übrigens auf eine sehr interessante Weise an. Es zeigt die Schlachten nur indirekt und handelt dieses eher schnell ab. Dafür werden die Folgen sehr oft erwähnt und auch explizit beschrieben. Dabei gelingt es dem Autor sehr gut, die dunkle Atmosphäre rüberzubringen. Am besten gelingt ihm das in einem Kapitel, in dem die Königin mit ihrer Gefolgschaft ein Krankenhaus besucht, um die Verletzten zu begutachten. Die detaillierte Beschreibung der Szene bringt die Härte des Krieges dabei viel besser rüber, als es den Schlachten gelingt. Immer diese Fehler…
Ein weiterer Aspekt der es dem Leser nicht unbedingt leichter macht, ist der hohe Fehlergrad, den das Buch leider hat. Da ich die Erstausgabe besitze, ist ein Großteil der Fehler wohl mittlerweile ausgebessert, kritisieren muss ich sie aber trotzdem. Vor allem bei einem rein deutschen Buch, das keinen Übersetzungsprozess durchlaufen muss, ist das sehr schade. Das Problem ist ja, dass die Patzer größtenteils einfache Schlampigkeitsfehler sind. Ein paar Beispiele gefällig? „…wollte er sich beliebt machten“ (S.325) „…auf den Stuhl der Ayrins am fernsten stand“ (S.239) „Der Vogel schien sich genauso freuen wie er“ (S.360) Solche, wirklich einfachen Fehler, trifft man leider immer wieder an. Vor allem in so und so schon komplizierten Situationen verstärken sie die Verwirrung noch weiter und stoppen den Lesefluss. Leicht gestillt wird die Verwirrung von einer interessanten Idee des Autors. Wichtige Begriffe, Gedanken, Schriftstücke innerhalb der Geschichte sind kursiv geschrieben. Das steigert die Übersicht ein wenig und man findet bestimmte wichtige Ausdrücke schneller. Lediglich ein Register mit allen wichtigen Begriffen als Zusammenfassung, wie es für solche Fantasy-Werke normalerweise üblich ist, fehlt mir. Jetzt aber noch zum Umfang. Mit ca. 550 Seiten ist Kalypto: Die Herren der Wälder ein ordentlicher Wälzer. Für ein Fantasy-Epos ist die Seitenanzahl aber genau richtig. Die Geschichte lässt sich genug Zeit für die Charakterentwicklung. Dabei verläuft sie in einem angenehmen konstanten Tempo. Die Balance ist allerdings nicht ganz optimal gelungen. So steigt die Spannung in der zweiten Hälfte des Buches erst so richtig an. Die vielen großen Zeitsprünge am Anfang wirken ziemlich unnötig und hätten auch weggelassen werden können. Man hätte sie aber auch durch Rückblenden besser in die Geschichte einbinden können. So wirken sie ein wenig außenstehend. Sagen wir es abschließend so: Ich hoffe, dass die Nachfolger die Qualität der zweiten Hälfte des Buches beibehalten und nicht die der ersten. Zum Schluss möchte ich noch das allgemeine Design des Buches loben, welches mir sehr gut gefällt. Vor allem die farbige Karte im inneren des Umschlags hat es mir angetan. Lediglich der Text auf dem Backcover verrät für meinen Geschmack ein bisschen zu viel. Der Klappentext im inneren des Buches wäre hier, meiner Meinung nach, die bessere Wahl für das Backcover gewesen. |
Der Klappentext wäre, meiner Meinung nach, die bessere Wahl für das Backcover gewesen...
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