Teil 1 der Trilogie:
Die 5. Welle |
Buch Analyse - Das unendliche MeerVerwirrt sich Rick Yancey selbst?„Das unendliche Meer“ ist die Fortsetzung von „Die 5. Welle“. Beide Bücher wurden von Rick Yancey geschrieben, dem Mann mit dem markanten Stil. In „Die 5. Welle“ ist der Stil nahezu perfekt. Im Nachfolger fast zu komplex. Aber verwirrt sich Rick Yancey damit selbst?
"DER" Stil Sätze wie „Es gibt Dinge, die wir uns über die Wahrheit sagen und es gibt Dinge, die die Wahrheit über uns verrät“ oder „Sich nach etwas zu sehnen, das verloren ist, ist dasselbe, wie auf etwas zu hoffen, das niemals eintreten kann“ regen zum Nachdenken an und sind äußerst komplex konstruiert. Beide stammen aus der Feder von Rick Yancey und werden in „Das unendliche Meer“ vom Charakter „Ringer“ gesprochen. Sie zeichnen die Bücher aus und gehören zum Stil des Autors. (Buch Analyse - Die 5. Welle: Was macht das Buch so spannend?) Als ich „Die 5. Welle“ las war ich sehr erstaunt, dass Rick Yancey sich mit solchen Sätzen nicht selbst verwirrt, sondern bestimmte, eigentlich ungefährliche, Situationen deutlich spannender macht. Jede einzelne, noch so kleine Handlung wird bis ins Detail beschrieben. All das funktioniert in „Die 5. Welle“ erstaunlich gut und das Buch verdient sich dadurch eine Wertung von „95“ Punkten. Ein Stil zum Nachdenken Schon diese Zitate klingen im ersten Moment verwirrend. Rick Yancey will in diesem Fall aber genau das erreichen. Man soll über solche Sätze nachdenken, was auch sehr gut funktioniert. Erst dann wird einem bewusst, wie einzigartig der Autor schreibt. Bei anderen Konstruktionen muss man aber schon sehr genau aufpassen um die Anspielung zu verstehen. Man sollte auf keinen Fall einfach drüberlesen. Zuerst muss man diese Anspielungen aber erst einmal erkennen. Meist sind sie zu Themen wie dem 2. Weltkrieg und wie gleichgültig manche Menschen zu so ernsten Themen stehen. Ein Beispiel: „Wenn der zweite Gong ertönt, ist wieder alles beim Alten. Schüler strömen in den Unterricht, hocken gelangweilt da, warten auf den Schlussgong und überlegen, was sie am Abend, am Wochenende, in den nächsten 50 Jahren machen sollen. Sie werden wie wir von Naturkatastrophen, Epidemien und Weltkriegen erfahren. Du weißt schon: >Als die Außerirdischen kamen, starben sieben Millionen Menschen<, und dann ertönt der Gong, und alle gehen zum Mittagessen, sich über die pampigen Kroketten beschweren. So in etwa: >Boah, sieben Millionen Menschen, das ist ganz schön viel. Echt traurig. Isst du alle deine Kroketten?< Das ist normal. DAS ist es, was eine Rolle spielt“ Das unendliche Meer, S. 24; An diesem kurzen Textauszug kann man eine deutliche, aber gut versteckte, Anspielung auf die Gleichgültigkeit des modernen Menschen erkennen. Wenn man gut aufpasst, kann man solche Textstellen immer wieder erkennen. Da lohnt es sich eben, genau aufzupassen… Wir werden verwirrt In „Das unendliche Meer“ übertreibt Rick Yancey aber ein bisschen. Er erhöht den Schwierigkeitsgrad noch einmal deutlich und konstruiert seine Satzreihen noch komplexer. Dadurch verwirrt er uns aber auch noch mehr und man muss manche Sätze doppelt lesen, um sie zu verstehen. Das ist natürlich alles andere als optimal. Da bleibt die Frage: Wie kann der Autor selbst noch den Überblick behalten? In „Die 5. Welle“ gelingt Rick Yancey dieses Kunststück. Ich erkläre, wieso in „Das unendliche Meer“ nur bedingt… Er wird verwirrt Der rot markierte Abschnitt enthält wichtige Informationen zum Inhalt des Buches. Wenn ihr es noch lesen wollt, solltet ihr den Abschnitt überspringen. Ihr könnt danach aber beruhigt weiterlesen. Erste Andeutungen darauf, dass Rick Yancey sich selbst auch leicht verwirrt, gibt es durch Realismusfehler. Klar ist es ein teilweise fiktives Buch. Ein Alienangriff ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Trotzdem behält es aber immer den Bezug zur Realität. Außer eben in folgender Szene: Der Charakter „Ringer“ stürzt sich aus 1.5 km Höhe, aus einem Hubschrauber, in einen See. Dieser ist auch noch zugefroren. Physikalisch und biologisch unmöglich zu überleben, denkt man sich. Ringer schafft es aber, dank ihrer „Alien-Technologie“. Das wäre so vielleicht nachvollziehbar, trotzdem hat Rick Yancey nie solche Situationen verwendet und übertreibt hier ein wenig. Weiter geht die Verwirrung mit einem Kapitel, in dem es bei wörtlichen Reden keine Anführungszeichen gibt. Jetzt stellt man sich die Frage: Gehört das zum Stil, oder gab es einen Fehler bei der Übersetzung oder beim Korrektur lesen? Alles Elemente die den Leser verwirren. Das sind allerdings alles nur kleine Schlampigkeitsfehler. Etwas schwerwiegender, ist es beim kommenden Beispiel: Manche Situationen sind wirklich sehr genau beschrieben, wie schon in „Die 5. Welle“. Dadurch werden manchmal auch harmlose Aktionen der Charaktere, zu spannenden Handlungen. Der Autor setzt diese Stilart aber nicht immer ein und es scheint als würde er sich damit selbst verwirren. In manchen Situationen werden nämlich wichtige Elemente vergessen, die den Leser dann später verwirren. Hier ein passender Textauszug: „Der Angriff passiert schneller, als sein nicht aufgewertetes Gehirn ihn verarbeiten kann. Ich bezweifle, dass er überhaupt die Vorhangstange auf seine Hand herabsausen sieht. Die Pistole fliegt durch den Raum. Er geht in die Richtung – zur Pistole -, während ich in die andere gehe – zur Toilette. (…) Erledigt. Sie blickt am Lauf der Pistole vorbei, der auf sie gerichtet ist.“ Das unendliche Meer, S.288/289; Hier schlägt der Charakter „Ringer“ die Pistole ans andere Ende des Raumes. Im nächsten Moment hält sie die Pistole aber plötzlich in den Händen. Es wird nie erwähnt, dass sie die Waffe aufhebt. Das verwirrt und man liest nochmal nach. Das stört den Lesefluss deutlich. Alle sind verwirrt Bleibt uns nur ein Fazit mit Fragezeichen: Wollte Rick Yancey den, ohnehin schon ausgezeichneten, Stil noch aufbessern oder geschahen ihm diese Fehler gar nicht mit Absicht? Auf jeden Fall hat er dadurch die Leser und vielleicht auch sich selbst, ein wenig verwirrt. Trotzdem schreibt er mit „Das unendliche Meer“ eine sehr gute Fortsetzung zu „Die 5. Welle“. Ob der zweite Teil der Trilogie an den Erfolg des ersten anknüpfen kann, könnt ihr demnächst in meiner Rezension nachlesen. Für den dritten, und abschließenden, Teil der Serie kann man dem Autor nur raten, den Stil beizubehalten, aber den Schwierigkeitsgrad ein wenig herunterzuschrauben. Natürlich ist es eine Gradwanderung: Zu leicht darf der Abschluss der Trilogie nicht sein. Aber gerade das macht das Warten auf Teil 3 so spannend, oder? |